Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl
Die Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl umfasst 4.206 Drucke aus der Zeit von 1501 bis 1913 in 2.300 Bänden sowie 67 Inkunabeln in 34 Bänden, die ursprünglich zur Bibliothek des Brandenburger Schöppenstuhls gehörten und heute in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt werden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Erst fünfhundert Jahre nach der Ersterwähnung des Brandenburger Schöppenstuhls (1232), als diese juristische Instanz bereits stark an Bedeutung verloren hatte, kam es im Jahr 1734 zur Einrichtung einer eigenen Bibliothek für seine Mitglieder. Bis zu diesem Zeitpunkt war es den Schöppen überlassen, sich die nötigen Bücher privat zu beschaffen oder – nach Möglichkeit – auf die Ratsbibliotheken der erst 1715 vereinigten Brandenburger Alt- bzw. Neustadt zurückzugreifen. Die Bibliotheksgründung resultierte aus einer 1731 an den preußischen König gerichteten Bitte der Schöppen um Gehaltserhöhung, da sonst von den einzelnen Schöppen die erforderlichen Bücher nicht angeschafft werden könnten. Dies zog schließlich ein so von den Antragstellern nicht beabsichtigtes königliches Reskript nach sich, das 37 Taler aus dem Personaletat des Schöppenstuhls zur Finanzierung einer eigenen Schöppenstuhl-Bibliothek bestimmte. Prompt einsetzende Beschwerden der von dieser Gehaltskürzung betroffenen Schöppen über den neuen Bibliotheksfonds und den als Bibliothekar eingesetzten Joachim Ernst Plümicke blieben jedoch ohne Erfolg – die Bibliothek blieb und kann heute als umfangreichste erhaltene Büchersammlung eines Schöppenstuhls gelten.
In Ermangelung geeigneter Räume musste der frisch ernannte Bibliothekar Plümicke in den ersten Jahren die neu angeschafften Werke in seiner Wohnung unterbringen. Zum frühesten Bestand der Bibliothek gehörte ein Exemplar des seit 1731 erscheinenden Zedler’schen Universallexikons, dessen erste drei Bände laut Besitzvermerk von dem Bibliothekar Plümicke in den Jahren 1732 und 1733 noch privat erworben wurden.
Der einmalige Wert der Bibliothek des Brandenburger Schöppenstuhls liegt vor allem in den zahlreichen hier erhaltenen privaten Büchersammlungen Brandenburger Juristen (zumeist Schöppen des Brandenburger Schöppenstuhls) vom Spätmittelalter bis in das 18. Jahrhundert. So ist die juristische Büchersammlung des ca. 1530 verstorbenen Brandenburger Notars Magister Petrus Viti die bedeutendste Vorprovenienz in dieser Bibliothek. Spätestens 1749 wurde der Schöppenstuhl-Bibliothek die nach der Städtevereinigung ungenutzte altstädtische Ratsbibliothek mit ihrem durch die Säkularisation der Brandenburger Klöster historisch besonders wertvollen Bestand an Inkunabeln und frühen Drucken einverleibt, darunter auch die Bücher Vitis. Im gleichen Jahr gelangte die Bibliothek des Juristen Heinrich Julius Oelschläger, 1723 bis 1747 Brandenburger Schöppe, durch Ankauf in den Besitz des Schöppenstuhls. Die Oelschläger’sche Sammlung enthielt bereits die Bücher des neustädtischen Richters Joachim Buchholtz, des ebenfalls in Brandenburg tätigen Advokaten Johann Keye und weiterer Brandenburger Juristen.
Der Brandenburger Schöppenstuhl wurde 1817 aufgehoben und die Bibliothek 1830 zwischen Stadtgericht (später Kreis- bzw. Amtsgericht) und Magistrat der Stadt Brandenburg an der Havel aufgeteilt. Das spätere Amtsgericht erwarb noch gelegentlich weitere Bände für die Bibliothek. Daneben existierte eine eigene Gerichtsbibliothek. Die Bestände der beiden Teilbibliotheken des ehemaligen Schöppenstuhls – juristische Werke unter Verwaltung des Gerichts und nicht-juristische Werke unter Verwaltung des Magistrats – sowie die Gerichtsbibliothek wurden weiterhin in einem gemeinsamen Hauptkatalog verzeichnet, der aber schließlich 1893 abgebrochen wurde.
Nach 1945
1948 von der Landesbücherei Potsdam aus dem Keller eines zerstörten Hauses in Brandenburg an der Havel geborgen, wurden die Teilbestände aus der Verwaltung des Amtsgerichts im Juni 1952 auf Anweisung des Staatssekretariats für Hochschulwesen an die Juristische Fakultät der Humboldt-Universität übergeben. Am 22. August 1963 erfolgte die Übereignung der Bestände durch die Bibliothek der Juristischen Fakultät an die Deutsche Staatsbibliothek (auf Beschluss der Bibliothekskommission der Juristischen Fakultät und mit Einverständnis des Direktors der Universitätsbibliothek). Heute werden die jeweils als separate Sondersammlungen aufgestellten Bücher aus der Bibliothek des Brandenburger Schöppenstuhls und der Gerichtsbibliothek von der Abteilung Historische Drucke der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz betreut und sind vollständig erschlossen. Die Inkunabeln aus der Bibliothek des Schöppenstuhls befinden sich heute in der Inkunabelsammlung der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek.
Unklar ist bislang der Verbleib der Bestände unter der Verwaltung des Magistrats der Stadt Brandenburg. Es handelt sich dabei um 684 Bände nicht-juristischen Inhalts, die vor 1945 als Teil der Ratsbibliothek im Rathaus der Stadt Brandenburg verwahrt wurden.
Die Akten des Schöppenstuhls aus den Jahren 1432-1802, die vor 1945 im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem aufbewahrt wurden, befinden sich seit 1950 im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA): Rep. 4D Schöppenstuhl zu Brandenburg (Havel).
Provenienzmerkmale
Neben dem Rückenetikett der Schöppenstuhl-Bibliothek gibt es bei den für die Schöppenstuhl-Bibliothek gebundenen Bänden einen typischen hellen Pergamenteinband mit rotem Buchschnitt und goldgeprägtem Rückentitel.
Kataloge
Auch nach der Aufteilung der Bestände zwischen Stadtgericht und Magistrat wurden - zumindest teilweise - gemeinsame Kataloge für die Gesamtbibliothek geführt. Es existierten laut Vorbemerkung im ersten Band des Real-Kataloges, dem "Haupt-Catalog der Bibliothek des Königlichen Kreisgerichts zu Brandenburg und des ehemaligen Schöppenstuhls daselbst einschliesslich des unter der Verwaltung des Magistrats stehenden Teils" insgesamt drei Kataloge:
- Chronologischer Katalog in drei Teilen: 1) der Schöppenstuhls-Bibliothek des Gerichts, 2) der Schöppenstuhls-Bibliothek des Magistrats und 3) der Gerichtsbibliothek, nach der Bezifferung geordnet (vermutlich ein Akzessionskatalog mit fortlaufenden Nummern). Nur hier wurden Preis, Erwerbungsart und der Aufstellungsort notiert. Die beiden Katalogteile zur Schöppenstuhls-Bibliothek wurden "von beiden Behörden seit der Theilung der Schöppenstuhls Bibliothek im Jahre 1830 selbständig fortgeführt". Der chronologische Katalog ist in der Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl nicht enthalten.
- Real-Katalog in drei Bänden, nach Materien geordnet (Sachkatalog) und für alle drei Teilbibliotheken gemeinsam geführt: 1) Haupt-Katalog, 2) Spezial-Katalog A ("Werke über das nationale deutsche Recht" = Abschnitt XII Abt. 2 des Hauptkatalogs) und 3) Spezial-Katalog B ("Werke über die fremden in Deutschland zur Giltigkeit gelangten Rechte" = Abschnitt XII Abt. 3 des Hauptkatalogs). Der Real-Katalog enthält keine Signaturen bzw. Aufstellungsorte, sondern lediglich die Nummern des Chronologischen Kataloges. Um die Teilbestände zuordnen zu können, wurden dabei die Nummern der dem Gericht zugefallenen Bestände in schwarzer, die des Magistrats in blauer und die der Gerichtsbibliothek in roter Tinte eingetragen. Dieser dreibändige Katalog ist in der Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl erhalten: Bibliographische Daten, PPN = 862473136
- Personal-Katalog über alle drei Bibliotheken (vermutlich ein Alphabetischer Katalog nach Verfassernamen). Dieser Katalog ist in der Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl nicht enthalten.
1893 wurde der gemeinsam geführte Realkatalog endgültig abgebrochen und damit war die Bibliothek war gewissermaßen verwaist. Hierzu notierte der Gerichtsschreiber im ersten Band des Kataloges: „Durch Versetzung des aufsichtführenden Richters vom 25ten Februar 1893 ... ist bestimmt, daß die Weiterführung dieses Katalogs als völlig zwecklos unterbleiben soll. - Lorenz [?], Erster Gerichtsschreiber“.
- Titelblatt und Vorbemerkungen aus dem ersten Band des Real-Kataloges: Datei:Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl Real-Katalog Bd 1.pdf
Das "System des Haupt-Katalogs der Bibliothek des Königlichen Kreisgerichts zu Brandenburg, und des ehemaligen Schöppenstuhls daselbst, (einschließlich des unter der Verwaltung des Magistrats stehenden Theiles.)" umfasst die Abschnitte I bis XII, die bei den Abschnitten I bis XI zunächst durch Großbuchstaben, anschließend durch arabische Zahlen weiter untergliedert werden. In der Abteilung XII "Rechts- und Staatswissenschaften" erfolgt eine deutlich differenzierte Untergliederung zunächst in 5 Abteilungen, die weiter in Titel (arabisch gezählt), dann römisch gezählte Punkte, darunter ggf. Großbuchstaben und schließlich arabisch gezählte Unterpunkte aufgeteilt sind.
- Systematik des Real-Kataloges: Datei:Sammlung Brandenburger Schöppenstuhl Real-Katalog Bd 1 Systematik.pdf
Ermittelte Exemplare
- Suche einer Provenienz im OPAC der Staatsbibliothek zu Berlin: %22brandenburger+schöppenstuhl%22
- Suche nach digitalisierten Exemplaren in den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin: schoepp
Literatur
- Gustav Dullo, Communalgeschichte der Stadt Brandenburg, Bd 1, Brandenburg 1886, S.15 ff.
- Anneliese Schmitt, Die Bibliothek des Schöppenstuhls, in: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Festgabe zur Eröffnung, hrsg. von Peter Macke, Baden-Baden 1993, S. 23-35.
- Anneliese Schmitt, Die Inkunabeln der Brandenburger Schöppenstuhl-Bibliothek, in: Jahresbericht über den Historischen Verein zu Brandenburg 1/2.1991/92, S.73-87.
- Anneliese Schmitt, Die Inkunabeln des Brandenburger Schöppenstuhls, in: Beiträge zur Inkunabelkunde 3.F. 3.1967, S.122-134.
- Adolf Stölzel, Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung untersucht auf Grund der Akten des Brandenburger Schöppenstuhls, Bd. 1: Der Brandenburger Schöppenstuhl, Berlin 1901. [Zur Bibliothek v.a. S.196-232].
- Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hrsg. von Adolf Stölzel, Bd. 1-4, Berlin 1901.
Siehe auch
- Sammlung Brandenburger Gerichtsbibliothek
- Preußen, Land- und Stadtgericht (Brandenburg an der Havel)
- Preußen, Kreisgericht (Brandenburg an der Havel)
- Preußen, Amtsgericht (Brandenburg an der Havel)
- Brandenburg an der Havel
- Heinrich Julius Oelschläger
- Johannes Keye
- Joachim Ernst Plümicke