Raoul Fernand Jellinek-Mercedes

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Raoul Fernand Jellinek-Mercedes (* 18. Juni 1888 in Algier; † 10. Februar 1939 in Baden bei Wien, Deutsches Reich) war ein österreichischer Schriftsteller.

Leben

Raoul Fernand Jellinek war der Sohn von Emil Jellinek, einem Diplomaten, Geschäftsmann und Berater der Daimler-Motorengesellschaft, und Rachel Carmen Jellinek, née Gogman-Azoulay. Aus der Ehe seiner Eltern entstammten drei Kinder: Adolph, Fernand Raoul und Mercédès Adrienne Ramona Manuela. Nach Raoul Fernands Schwester, Mercedes Adrienne Manuela Ramona, ist die gleichnamige Automobilmarke benannt. Raoul Fernand war mit Leopoldine, née Weiss, verheiratet. 1903 änderte die Familie ihren Nachnamen in Jellinek-Mercedes. Raoul Fernand lebte im Jahr 1938 als Privatier in der Wienerstraße 41 in Baden bei Wien, arbeitete gelegentlich als Schriftsteller und Journalist und betätigte sich etwa auch als förderndes Mitglied des Wiener Musikvereins.

Bibliothek

Raoul Fernand Jellinek-Mercedes besaß neben einer wertvollen Musikalien- sowie einer Gemäldesammlung eine wertvolle Bibliothek. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich im März 1938 wurde Jellinek-Mercedes im Juli 1938 aufgrund seiner jüdischen Abstammung gezwungen, eine „Vermögensanmeldung“ vorzunehmen. Monate lang musste er aus seinem Privatvermögen, darunter auch seiner Bibliothek, Notverkäufe an Buchhändler und Antiquariate vornehmen. Diesem Druck nicht mehr standhaltend, nahm er sich am 10. Februar 1939 das Leben. Spätestens nach seinem Tod musste seine Ehefrau, Leopoldine Jellinek-Mercedes (1885–1981), große Teile seiner Sammlung, darunter auch seiner Bibliothek verkaufen, um die sogenannte Judenvermögensabgabe bezahlen zu können.

Provenienzmerkmale

Restitutionen

2011: Zentral- und Landesbibliothek Berlin: ein Buch

2012: Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien: fünf Bücher

2013: Universitätsbibliothek Leipzig

2016: Universitätsbibliothek Rostock und Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Ermittelte Exemplare / Online-Kataloge

Verbundkatalog K10Plus

SBB PK

Ermittelte Exemplare / Zugangsgeschichten

Antiquarische Erwerbungen in den Jahren 1939/1945

Der früheste bisher dokumentierte Ankauf einer öffentlichen Einrichtung aus dem Eigentum Raoul Fernand Jellinek-Mercedes erfolgte 1939 oder 1940. Der damalige Leiter der Musikbibliothek der Stadtbibliothek Essen, Ernst Reichert, ein gebürtiger Österreicher, erwarb in Wien eine rund 1.000 Bände umfassende Sammlung von Gesamtausgaben großer deutscher Musiker, darunter ca. 100 Werke von Felix Mendelsohn-Bartholdy und Hector Berlioz. Sämtliche Bände sind mit einem Etikett versehen, welches nicht nur die Bildnisse von Beethoven, Mozart, Schumann und Wagner zeigt, sondern auch den Namenszug ffernand Jellinek-Mercedes. Zusammen mit der Sammlung der Gesamtausgaben gelangten 1939/40 auch die dazugehörigen Schränke in den Besitz der Essener Stadtbibliothek.[1].

Ein oder zwei Jahre später, im Jahr 1941, erwarb die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien fünf Bände aus der Privatbibliothek des Raoul Fernand Jellinek-Mercedes.[2]. In diesen Bänden befindet sich neben dem Exlibris von Jellinek-Mercedes der handschriftliche Vermerk über den Verkäufer: das Antiquariat Hiersemann aus Leipzig. Alle fünf Bände bzw. vier Titel, die 1941 Eingang in die Bibliothek der Medizinischen Universität Wien fanden, wurden im Katalog Nr. 664 „Neuerwerbungen, Bücher und Handschriften aus allen Wissensgebieten“ von Karl W. Hiersemann zu eben jenen Preisen angeboten, zu denen sie in den Wiener Zugangsunterlagen aufscheinen. [3]. Ihr Verkauf durch Hiersemann steht außer Zweifel.

Hiersemann und Leipzig spielten auch bei dem Weg weiterer Bücher aus dem Eigentum von Jellinek-Mercedes in öffentliche Einrichtungen eine Rolle. Im Bestand der Universitätsbibliothek Leipzig befanden sich Bände, die die Universitätsbibliothek 1955 oder 1956 von der Stadtbibliothek Leipzig übernommen hatte. Die Stadtbibliothek hatte sie ausweislich einer Rechnung, die heute im Stadtarchiv Leipzig verwahrt wird, 1945 bei Hirsemann erworben. [4]. Schon ein Jahr zuvor, 1944, leider durch Rechnungen nicht belegt, erwarb die Stadtbibliothek Leipzig auf antiquarischem Wege auch jene sieben Jahrgänge der „Zeitschrift für Bücherfreunde“, die seit 1956 im Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig verwahrt werden.

Ebenfalls über den antiquarischen Buchhandel gelangte ein Exemplar in die Thüringische Landesbibliothek Weimar. Am 10. Dezember 1943 arbeitete diese unter der Zugangsnummer 1943.2469 Eduard Grisebachs „Katalog der Bücher eines deutschen Bibliophilen mit litterarischen und bibliographischen Anmerkungen“, erschienen 1894 in Leipzig, in ihren Bestand ein. Lieferant für diese Ausgabe war der 1896 in Leipzig geborene Antiquar, Buchhändler und Verleger Lothar Hempe (1896–1967)[5], der sich in den 1930er und 1940er Jahren auch schriftstellerisch und als Bibliograph betätigte. Woher allerdings Hempe das Exemplar übernommen hatte und ob er noch mehr Bände der Provenienz Jellinek-Mercedes besaß, muss hier vorerst offen bleiben.

Antiquarische und andere Erwerbungen in den Jahren 1947/1949

Unter den frühen Nachkriegserwerbungen der Provenienz Jellinek-Mercedes befindet sich ein in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt identifiziertes Exemplar, ein zweiter Band einer 1894 in fünfter, verbesserter Auflage erschienenen Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts, die die französische Literatur zum Inhalt hat. Die Landesbibliothek erwarb diesen Band im Jahr 1947 bei Adele Kappus aus Kronberg. Kappus ist als Mitarbeiterin bzw. Prokuristin der Joseph Baer und Co., Buchhandlung und Antiquariat nachgewiesen. Hauptsitz von Joseph Baer und Co. war Frankfurt am Main, wobei das Antiquariat „schon im Frühjahr 1933 aufgrund des Boykotts jüdischer Geschäfte, durch verminderte Devisenzuteilungen für Bücherbeschaffungen aus dem Ausland und da öffentlichen Einrichtungen verboten wurde, bei jüdischen Firmen einzukaufen, aufgelöst werden musste“.[6] Dem Weggang der Brüder Baer folgten Zwangsliquidierung, Verschleuderung und Zerstreuung der Buchbestände. Es scheint wahrscheinlich, dass Kappus nach Kriegsende eigenständig als Buchhändlerin agierte. Ihre namentliche Nennung im Zugangsbuch der Darmstädter Landesbibliothek legt dies zumindest nahe.

  • Exemplar in der ULB Darmstadt: Signatur: 47/5856 Bd. 2

Ebenfalls im Jahr 1947 dokumentierte die Stadtbibliothek Chemnitz unter der Zugangsnummer S 1234 / 1947 ein Exemplar der Provenienz Jellinek-Mercedes. Ausweislich seiner Provenienzmerkmale befand sich dieses Exemplar ab spätestens Juni und bis mindestens Dezember 1941 im sogenannten Stalag IV F, dem in Hartmannsdorf, nahe Chemnitz eingerichteten Stammlager für vor allem französische Kriegsgefangene. Prüfvermerke sowie Datumsstempel in dem Exemplar belegen, dass das Buch von extern in das Lager übernommen und dort zwischen Juni und Dezember 1941 mindestens vier Mal ausgeliehen wurde. Wieso und auf welchem Wege es in das Kriegsgefangenenlager gelangte und ob es sich bis zur Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Alliierten am 4. April 1945 dort befand, ist nicht belegt. Sicher ist, dass es im Stalag IV F bzw. dessen Dependancen Bücher gab. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass das Exemplar, es handelt sich um eine 1895 in Paris erschienene Darstellung des französischen Schriftstellers Jean Bordeau (1848–1928) über den französischen Moralisten François VI. de La Rochefoucauld (1613–1680) aufgrund seiner französischen Sprache ins Lager übernommen wurde.

  • Exemplar in der Stadtbibliothek Chemnitz: Mediennummer: B310415X

Ein in der Pfälzische Landesbibliothek Speyer identifiziertes Exemplar wurde laut Zugangsunterlagen am 2. Dezember 1949 vom namhaften Antiquariat Hauswedell, Hamburg geliefert. Die Bibliothek zahlte damals für die 1898 in Paris erschienene Schrift 28,75 DM. Dieser Titel findet sich auch in einem Katalog von Hiersemann, und zwar im Katalog Nr. 669 aus dem Jahr 1949. Unter der Nr. 138 wurde dort für 60 „Deutscher Mark/Ost“ Octave Uzannes Werk „L' art dans la décoration extérieure“ angeboten.[7] Inwiefern das Hamburger Antiquariat das Exemplar bei dem Leipziger Antiquariat übernahm, muss offenbleiben. Die Möglichkeit hierfür jedenfalls bestand, hatte Hiersemann doch im Katalog informieren lassen: „Meine Kunden der Westzone bitte ich, sich mit mir wegen des Umrechnungskurses in Verbindung zu setzen.“[8]

  • Exemplar im Landesbibliothekszentrum (LBZ) Rheinland-Pfalz: Signatur: 49.1385

Antiquarische Erwerbungen und Erwerbungen aus Nachlässen nach 1950

Staatsgebiet der DDR

In den heutigen Beständen der Bundeswehr befinden sich 12 Exemplare der Provenienz Jellinek-Mercedes: 10 Bände in der Bibliothek des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (Potsdam) und 2 Bände in der Bibliothek des Zentrums Informationsarbeit Bundeswehr (Strausberg). Alle 12 Bände befanden sich zum Ende der DDR im Bestand des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR (MGI) in Potsdam. Die Geschichte dieses Instituts beginnt im Jahr 1958. Acht Bände stammen dabei aus der Historischen Abteilung der Kasernierten Volkspolizei (KVP), deren Hauptstab sich ab 1954 in Strausberg bei Berlin befand. Die Geschichte der KVP beginnt am 1. Juli 1952 und endet am 31. Dezember 1956. Hieraus ergibt sich, dass die genannten acht Bände in eben diesem Zeitraum zwischen Juli 1952 und Dezember 1956 in den Besitz der KVP gelangt sein müssen. Die weiteren vier Exemplare wurden im Jahr 1958 im Buchbestand der Abteilung Militärgeschichte des Instituts für Deutsche Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig inventarisiert. Diese Abteilung wurde 1960 in das Institut für Geschichte an der Deutschen Akademie der Wissenschaften (DAW) zu Berlin eingegliedert. Im Jahr 1969 wiederum wurden die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Abteilung Militärgeschichte des Institutes für Geschichte der DAW sowie der Buchbestand der Bibliothek in das Deutsche Institut für Militärgeschichte, den Vorgänger des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR, eingegliedert.

Die drei im Bestand der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek in Dresden identifizierten Exemplare haben alle eine andere Geschichte. Ein erstes Exemplar erwarb die damals Landesbibliothek Dresden 1967 für 25 Mark beim Zentralantiquariat Berlin. Das Zentralantiquariat Berlin ist nicht zu verwechseln mit dem in Leipzig angesiedelten Zentralantiquariat der DDR. In dem Exemplar befindet sich die Bearbeitungsnummer „F 1159“ der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände (ZwA), was bemerkenswert ist, da bisher unbekannt war, dass die ZwA in den 1960er Jahren jenseits des Zentralantiquariats der DDR auch an andere Antiquariate der DDR Bücher abgegeben hätte.

Ein zweites Exemplar der Provenienz Jellinek-Mercedes übernahm die Sächsische Landesbibliothek mit dem Nachlass der namhaften deutsch-österreichischen Schriftstellerin Auguste Wieghardt-Lazar. Die 1887 in Wien geborene Lazar lebte seit 1920 mit ihrem Mann, dem Mathematikprofessor Karl Wieghardt, in Dresden. Sie war befreundet mit der Künstlerfamilie Grundig, mit der Familie von Viktor Klemperer. Die Landesbibliothek erwarb den Nachlass von Wieghardt-Lazar 1970 käuflich von der mit Wieghardt-Lazar bekannten, in Dresden geborenen Schriftstellerin Annemarie Reinhardt, geb. Petzoldt (1921–1976).

Wie das erste so erwarb die Landesbibliothek Dresden auch das dritte Exemplar im April 1976 im antiquarischen Buchhandel, diesmal beim Zentralantiquariat der DDR (ZA). Dabei darf vorsichtig vermutet werden, dass dieses Exemplar seitens des ZA bereits in dessen Gründungsjahr 1959 und dann 1960 per Katalog angeboten, jedoch nicht verkauft wurde.[9] Für einen Verkaufsversuch des ZA ab 1959/60 könnte sprechen, dass der Sammler Felix Suppe (1887–1965), der das Buch offenkundig zwischenzeitlich besaß und in diesem sein eigenes Exlibris hinterließ, schon in der 1. Hälfte der 1950er Jahre Werke aus seiner Grafiksammlung veräußerte. So konnte das Museum für Deutsche Geschichte 1954 bei Suppe dessen 25.000 Blatt umfassende Sammlung, u.a. von Porträts und Ereignisgraphiken, Stadtveduten und Landschaften, Modeblätter und japanischen Farbholzschnitten erwerben. Suppe lebte in Bad Dürrenberg, einer Kleinstadt zwischen Leipzig, Merseburg und Weißenfels. Möglicherweise trennte er sich in den 1950er Jahren nicht nur von seiner Graphiksammlung, sondern auch von seinen Büchern. Bemerkenswert ist, dass der Titel des Exemplars auch in dem schon erwähnten Katalog Nr. 664 von Hiersemann aus dem Jahr 1941 aufscheint.[10] Insofern könnte der Weg des Exemplars von Raoul Jellinek-Mercedes 1939/40 zu Hiersemann, von dort zu Felix Suppe und von diesem 1959 zum Zentralantiquariat der DDR geführt haben, ehe es, 1976 in die Sächsische Landesbibliothek eingearbeitet, 2025 an die Erben nach Jellikek-Mercedes restituiert und anschließend regulär erworben wurde.

Beim Zentralantiquariat der DDR erwarb auch die Staatsbibliothek zu Berlin ihr frühestes bisher identifiziertes Werk der Provenienz Jellinek-Mercedes: eine zweibändige, französischsprachige Publikation, die 1668 in Köln erschien, und die von der damals Deutschen Staatsbibliothek (DSB) am 25. Juni 1959 unter der Zugangsnummer 1959.2287 eingearbeitet wurde.

Exlibris „Dem Fernand Jellinek-Mercedes sein Buch“ im Vorsatz von Die Aller-Durchlauchtigste Käyserin Statira oder Cassandra, SBB PK, Signatur: 19 ZZ 17548
Textverlust auf Seite 353-54 in einem Exemplar aus dem Besitz Raoul Fernand Jellinek-Mercedes (Die Aller-Durchlauchtigste Käyserin Statira oder Cassandra, SBB PK, Signatur: 19 ZZ 17548)

Weniger klar lässt sich die Geschichte der weiteren Exemplare rekonstruieren, die sich heute im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin befinden, die zwischenzeitlich aber dem Bibliothekar und Bibliophilen Bruno Kaiser (1911–1982) gehörten. Die Bibliothek Bruno Kaiser wurde 1967 von der Deutschen Staatsbibliothek (DSB) angekauft. Ein kleinerer Teil gelangte 1982 als Geschenk in die DSB. Im Bestand der Bibliothek Bruno Kaiser wurden zwei einzelne Bände sowie ein zweiteiliges Werk der Provenienz Jellinek-Mercedes identifiziert. Nummern in den Exemplaren, „54/581“, „60/118“ sowie „60/643“, dürften von Kaiser selbst stammen und auf die Erwerbungsjahre 1954 bzw. 1960 hinweisen. Die Herkunft der Exemplare bleibt dabei allerdings weitgehend unklar. Nur in einem Fall dürfte Kaiser das Exemplar beim Zentralantiquariat der DDR erworben haben. Im entsprechenden Angebot des ZA aus dem Jahr 1960 ist zum Exemplar vermerkt: „etwas fleckig, von S. 353-54 fehlt eine Ecke mit wenig Textverlust“. Als Preis hatte man 1960 8 Mark aufgerufen.[11] In der Tat weist das Exemplar aus der Bibliothek Bruno Kaiser exakt auf Seite 353/354 eine abgerissene Ecke mit einigem Textverlust auf. Interessant ist, dass, von welcher Hand auch immer, im Exemplar dabei nicht 8,- sondern 12,- als Preis vermerkt sind.

Neben dem Zentralantiquariat der DDR in Leipzig und dem Zentralantiquariat Berlin war auch das Norddeutsche Antiquariat in Rostock innerhalb des antiquarischen Buchhandels der DDR in die Zerstreuung der Büchersammlung Jellinek-Mercedes involviert. Im Deutschen Schrift- und Buchmuseum befindet sich ein Band, den dieses 1986 beim Norddeutschen Antiquariat erwarb. Das Norddeutsche Antiquariat agierte ab 1955 zunächst als Abteilung Antiquariat der Rostocker Universitätsbuchhandlung. Ab 1.1.1960 wurde es zur eigenständigen Firma. Dass die Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände den Band, es handelt sich um eine 1847 erschienene Biographie von Erzherzog Carl von Oesterreich, zuvor nach Rostock ans Norddeutsche Antiquariat gegeben haben könnte, kann weitgehend ausgeschlossen werden.

Inwiefern das Norddeutsche Antiquariat bereits an dem Zugang eines Exemplars in den Bestand der Universitätsbibliothek Rostock beteiligt war, muss derzeit offenbleiben. Mit Gewissheit arbeitete die UB Rostock unter der Zugangsnummer 246/1955 und somit im Jahr 1955 Magnus Gottfried Lichtwers 1758 in Leipzig erschienene Schrift „Das Recht der Vernunft, in fünf Büchern“ in ihren Bestand ein.

Staatsgebiet der BRD

Unter der Zugangsnummer 2059.61 arbeitete das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) im Jahr 1961 ein Exemplar der Provenienz Jellinek-Mercedes ein. Es handelt sich hierbei um eine Dublettenabgabe der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Das Exemplar der 1859 bei Cotta in Stuttgart erschienenen Gedichte von Joseph Christian von Zedlitz trägt die Stempel "Archiv des Cotta'schen Verlags Stuttgart" und "Schiller-Nationalmuseum Marbach", so die Vorgängerbezeichnung des DLM. Das Cotta'sche Verlagsarchiv wurde 1955 nach Marbach gegeben, woraus sich ergibt, dass das Exemplar spätestens 1955 in dessen Besitz gewesen sein muss. Nur vermuten lässt sich, dass das Verlagsarchiv sich für dieses Exemplar als Teil seiner eigenen Verlagstätigkeit interessierte und mit diesem Exemplar eine Lücke in seinem Archiv schließen wollte.

  • Exemplar im Deutschen Literaturarchiv Marbach: Zugangsnummer: 2059.61

Im Mai 1957 erwarb das Institut für Geschichte der Naturwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt über den „Deutschen Buchexport Leipzig“ für 4 DM ein Exemplar der Provenienz Jellinek-Mercedes. Das 1768 in Paris erschienene naturwissenschaftliche Werk von François Barrême war zusammen mit weiteren, insgesamt 25 Titeln aus Leipzig angekauft worden, für rund 500 DM. Die Erscheinungsjahre dieser Titel bewegten sich zwischen 1520 und 1802. Auch andere Provenienzen befanden sich darunter. Der Verkauf dürfte dabei über die Abteilung Antiquariat der Deutschen Buchexport und -import GmbH abgewickelt worden sein. Die 1953 gegründete Deutsche Buchexport und -import GmbH war dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel der DDR direkt unterstellt. Ebenfalls im Jahr 1953 war das Antiquariat Koehlers Antiquarium des enteigneten Leipziger Buchhandelsunternehmens Koehler & Volckmar der Deutschen Buch-Export und -Import GmbH zugeordnet und zu einer Abteilung Antiquariat umgeformt worden, aus dem 1959 dann das Zentralantiquariat der DDR wurde.[12] Inwiefern neben Hiersemann auch Koehlers Antiquarium in der Zeit des Nationalsozialismus und den ersten Nachkriegsjahren Anteil an der Zerstreuung der Büchersammlung Jellinek-Mercedes Anteil hatte, werden nur zukünftige Forschungen klären können.

  • Exemplar in der Universitätsbibliothek J.C. Senkenberg der Goethe-Universität Frankfurt am Main: Signatur: 17/5503

Ein Köchelverzeichnis von 1905, 3 Hefte der Satirezeitschrift „Pfefferkörner“ der Jahre 1831 und 1832, und eine schön bebilderte Ausgabe von „Don Juan ou la commédie du siècle“ von Jean Aicard aus dem Jahr 1896 restituierte die Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) Hamburg im Jahr 2016 an die Erben nach Jellinek-Mercedes.[13] Ein Exlibris des Pianisten, Komponisten und Büchersammlers Eduard Erdmann (1896–1958) in den drei Zeitschriftenbänden der „Pfefferkörner“ weist diesen als Zwischenbesitzer aus. Ein guter Teil von Erdmanns Sammlung wurde 1959 über das Auktionshaus Hauswedell in Hamburg versteigert.[14] Die SUB Hamburg allerdings ersteigerte die „Pfefferkörner“ laut ihrem Zugangsjournal erst 10 Jahre nach der Auktion bei Hauswedell bei Dörling.[15] Dass Erdmann die Bände seinerseits antiquarisch erwarb, lässt sich nur vermuten. Ein Beleg hierfür findet sich ebenso wenig, wie sich die Zugangsgeschichte der anderen beiden Exemplare, die sich bis 2016 in der SUB Hamburg befanden, noch rekonstruieren ließe. In der Theatersammlung der SUB erhielten sie einst beide die Zugangsnummer 164/44. Ob mit „44“ das Zugangsjahr 1944 gemeint ist, lässt sich nur mutmaßen.

Auch die Zugangsgeschichte des Exemplars, welches in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart identifiziert wurde, ist leider nur bedingt rekonstruierbar. Die Signatur immerhin erlaubt den Rückschluss, dass Ferdinand Pfohls 1894 in Leipzig erschienene Schrift „Die moderne Oper“ im Jahr 1975 in den Bibliotheksbestand eingearbeitet wurde. Weder auszuschließen noch zu belegen ist, dass das Exemplar über das Zentralantiquariat der DDR (ZA) nach Stuttgart gelangt sein könnte. Angeboten wurde dieser Titel seitens des ZA 1962 und nochmals 1967, beide Male für 10 Mark, beide Male nur knapp beschrieben: „M. Portr. 401 S. Lwd.“ bzw. „M. Portr. u. mehr Notenbeisp. VIII, 401 S. Hlwd.“[16] Sollte es sich in der Tat um einen (Weiter-)verkauf des ZA gehandelt haben, so bleibt festzuhalten, dass es sich bei dem Stuttgarter Exemplar um einen Leineneinband handelt und insofern allenfalls das Exemplar von 1962 in Frage käme.

  • Exemplar in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart: Signatur: 25/12306

Der Landesbibliothek Darmstadt ging zu einem bisher noch nicht gänzlich geklärten Zeitpunkt aus dem Nachlass des Architekten Ernst Neufert (1906–1986) eine 1805 in Mailand erschienene Schrift über den italienischen Architekten Barozzi da Vignola (1507–1573) zu. Neufert hatte als 19-Jähriger am Bauhaus Weimar studiert, 1924 die Bauleitung am neuen Bauhaus Dessau übernommen und nach dessen Schließung 1930 an der Itten-Schule in Berlin gelehrt. Große Teile seines künstlerischen Nachlasses werden heute im Archiv der Moderne der Bauhaus-Universität Weimar verwahrt.[17] Die im Darmstädter Exemplar enthaltene Buchhändlermarke: „Bruno Hessling / Berlin W. 30 / Bayreutherstr. 13“ mit der Preisangabe „90.-“ verweist auf den Weg des Exemplars in die Hände von Neufert. Es dürfte sich bei Bruno Hessling um den seit Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin und New York tätigen Buchhändler für Architektur und Kunstgewerbe handeln, der als Verleger Hessling bis 1958 nachgewiesen ist.[18]

Erwerbungen nach 1990

Die jüngste Zugangsgeschichte weisen jene vier Bände von Friedrich Theodor Vischers „Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen“ auf, die sich heute in der Bayrischen Staatsbibliothek (BSB) befinden. Ihre Zugangsnummer adressiert die Erwerbung in das Jahr 2003. Inwiefern die vier Bände möglicherweise bereits 1941 bei Hiersemann angeboten wurden, bleibt angesichts der Beschreibung in dessen Katalog Nr. 664 als „3 Tle. in 4 Bdn. Reutl. u. Stuttg 1846–57. Hlwdbde. (etwas schadhaft)“ unsicher.[19]

Digitalisierte Exemplare / Exemplarschlüsselseiten

Einzelnachweise

  1. Vgl. Reinhard Brenner, Die Sammlung Jellinek-Mercedes in der Stadtbibliothek Essen, in: Regine Dehnel (Hg.), Jüdischer Buchbesitz als Raubgut. Zweites Hannoversches Symposium, Frankfurt a.M. 2006, S. 379–385.
  2. Vgl. https://ub.meduniwien.ac.at/en/ueber-uns/provenienzforschung-an-der-universitaetsbibliothek/durchgefuehrte-restitutionen/raoul-fernand-jellinek-mercedes/ sowie https://www.lexikon-provenienzforschung.org/jellinek-mercedes-raoul-fernand
  3. Vgl. Karl W. Hiersemann, Katalog (Nr. 664), [1941], Neuerwerbungen, Bücher und Handschriften aus allen Wissensgebieten, S. 121, Nr. 2028 sowie S. 125, Nr. 2089, 2092 sowie 2100.
  4. Vgl. hierzu: Anett Krause, Cordula Reuß (Hg.), NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig. Katalog zur Ausstellung in der Bibliotheca Albertina, 27. November 2011 bis 18. März 2012 (= Schriften aus der Universitätsbibliothek Leipzig 25), Leipzig 2011, S. 58–59.
  5. Vgl. S. Hempe, Lothar, Buchhandlung, Kunst- und Buchantiquariat, Weimar, In: Sächsisches Staatsarchiv, 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I), Nr. F 03839.
  6. Vgl. zur Geschichte von Joseph Baer und Co.: https://www.proveana.de/de/corporate-body/joseph-baer-co-buchhandlung-und-antiquariat.
  7. Vgl. Karl W. Hiersemann, Katalog (Nr. 669), Auswahl interessanter Bücher aus den Gebieten der Bibliographie, Geschichte, Kunst und Literatur, 1949, Los 138. Online: https://doi.org/10.11588/diglit.68287#0014.
  8. Vgl. Ebda, [Kataloginnenseite]. Online: https://doi.org/10.11588/diglit.68287#0002.
  9. Vgl. Zentralantiquariat der DDR, Katalog Nr. 16, Kunst, 1959, Nr. 2706 bzw. Katalog Nr. 22, Bildende Kunst, 1960, Nr. 2443. Online: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0002FF1C00010121 bzw. https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0002FF1C000C0102. In beiden Katalogen des Zentralantiquariats ist das Exemplar ganz identisch beschrieben mit „Hldr. Rücken u. Ecken leicht beschäd.“. Der aufgerufene Preis war beide male mit 62,- angegeben. Bedauerlicher Weise ist die Überlieferung der Kataloge und Angebote des ZA für das Jahr 1976 lückenhaft, so dass sich dasselbe Titelangebot für 1976 nicht belegen lässt. Vgl. zu den bisher digitalisierten Katalogen und Angeboten des ZA http://sbb.berlin/qubkgp.
  10. Vgl. Karl W. Hiersemann, Katalog (Nr. 664), [1941], Neuerwerbungen, Bücher und Handschriften aus allen Wissensgebieten, S. 137, 2317. Online: https://doi.org/10.11588/diglit.68283#0139. Hier mit dem Zusatz: „Schön ausgestatteter Oeuvre-Katalog, m. e. einleit. Studie v. Al. Dumas über Meissonier“.
  11. Vgl. Zentralantiquariat der DDR, Angebot Nr. 301, Frankreich/Schweiz, 1960, Nr. 92. Online: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0002FF2A00350004.
  12. Vgl. Werner Schroeder, Institutionalisierte Kulturgutverwertung. Die Beschaffungs- und Einkaufspolitik des Zentralantiquariats der DDR. In: Spuren suchen. Provenienzforschung in Weimar. : Wallstein, 2018, (Klassik Stiftung Weimar, Jahrbuch 2018) S. 229–245, hier S. 246, 247.
  13. Vgl. https://blog.sub.uni-hamburg.de/wp-content/uploads/2017/01/Bild-Buecher-gr.jpg.
  14. Vgl. Dr. Ernst Hauswedell, Auktion 89, 26. & 27. Mai 1959, Bibliothek Eduard Erdmann.
  15. Vgl. Buch- und Kunstantiquariat F. Dörling, Wertvolle Bücher, Miniaturen, Hamburgensien, Dekorative Graphik, Schiffsmodelle, 28.5.1969, Nr. 969. Ebda. als Provenienzangabe „Aus Bibl. E. Erdmann.“
  16. Vgl. Katalog Nr. 35 (1962), Sonderkatalog Varia, S. 82, 2680 sowie Angebot Nr. 828 (1967), Musik, S. 8, 293.
  17. Vgl. Nachlass Erbst Neufert, N66, Archiv der Moderne (Universitätsarchiv), Bauhaus-Universität Weimar (darunter ca. 3000 Schriftstücke, ca. 13.000 Fotos, ca. 260 Pläne).
  18. Verkauf einiger Verlagsartikel an Bruno Hessling, Berlin. - Deutsche Digitale Bibliothek.
  19. Vgl. Karl W. Hiersemann, Katalog (Nr. 664), [1941], Neuerwerbungen, Bücher und Handschriften aus allen Wissensgebieten, S. 126, Nr. 2115. Online: https://doi.org/10.11588/diglit.68283#0128.

Literatur

Reinhard Brenner, Die Sammlung Jellinek-Mercedes in der Stadtbibliothek Essen, in: Regine Dehnel (Hg.), Jüdischer Buchbesitz als Raubgut. Zweites Hannoversches Symposium, Frankfurt a.M.: Klostermann 2006 (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; 88), S. 379–385.

Anett Krause, Cordula Reuß (Hg.), NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Leipzig. Katalog zur Ausstellung in der Bibliotheca Albertina, 27. November 2011 bis 18. März 2012 (= Schriften aus der Universitätsbibliothek Leipzig 25), Leipzig 2011, S. 58–59.

Werner Schroeder, Institutionalisierte Kulturgutverwertung. Die Beschaffungs- und Einkaufspolitik des Zentralantiquariats der DDR. In: Spuren suchen. Provenienzforschung in Weimar. : Wallstein, 2018, (Klassik Stiftung Weimar, Jahrbuch 2018) S. 229–245.

Markus Stumpf, Mathias Lichtenwagner, „… erschoss sich mein Gatte nach einer Amtshandlung des Vollstreckungsbeamten“: Raub und Rückgabe aus der Sammlung Raoul Jellinek-Mercedes“, in: Birgit Kirchmayr, Pia Schölnberger (Hg.), Restituiert. 25 Jahre Kunstrückgabegesetz in Österreich, Wien 2023 (Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung; 9), S. 344-351.

Weblinks

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