Henry Torres

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Henry Torrès (* 17. Oktober 1891 in Les Andelys; † 4. Januar 1966 in Paris) war ein französischer Anwalt, Journalist, Theaterkritiker und Dramatiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Henry Torrès wurde in eine bürgerliche, jüdische Familie geboren. Sein Vater, wie auch sein Großvater mütterlicherseits waren hohe Beamte in der Verwaltung der Präfektur Eure. Torrès heiratete 1919 Jeanne Levylier (1899–1982), die ebenfalls aus einem Haushalt jüdischer Beamter stammte. Die Ehe, aus der die Söhne Jean und Georges hervorgingen, wurde geschieden. Jeanne war in dritter Ehe mit ihrem Großcousin Léon Blum, der zwischen 1936 und 1947 mehrfach französischer Premierminister war, verheiratet. 1913 im Alter von 22 Jahren schloss Torrès sein Jurastudium mit der Licence ab und begann journalistisch zu arbeiten.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Torrès an die Westfront beordert, [1] wo er inmitten der Kriegswirren seine Berufung zum Anwalt entdeckt. 1915 hielt er sein erstes Plädoyer vor einem Kriegsrat. Später kämpfte Torrès am Chemin des Dames an der vordersten Front und erhielt, nachdem er am 18. Oktober 1917 schwerverletzt wurde, zahlreiche militärische Auszeichnungen. Teilweise aus dem Lazarett heraus unterstützte er seine Kameraden juristisch und es gelang ihm mehrere Kameraden vom Erschießungskommando zurückzuholen. Unmittelbar nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, noch als Militärangehöriger, beschloss Henry Torrès in Paris als Anwalt zu praktizieren.

Torrès war seit seiner Jugend politisch aktiv und er wurde als kommunistischer Anwalt durch die Verteidigung zahlreicher gesellschaftlicher sowie politischer, auch linksextremer Prominenten bekannt. Zu seinen größten Erfolgen zählt der Freispruch von Scholom Schwartzbard (1886–1938) im Jahr 1927. Im Mai 1926 hatte Schwartzbard den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Petlioura, den er für die blutigen Pogrome in seiner Heimat verantwortlich machte, in Paris auf offener Straße erschossen.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs stellte Torrès seine Tätigkeit als Anwalt ein, um sich in den Dienst der französischen Regierung zu begeben. Er arbeitete an verschiedenen Stellen im Propagandaministerium (Ministère de l’information). Da er mit der deutschen Besatzung seine Tätigkeit für die Regierung verlor und als jüdischer Anwalt sowie Gegner der Kapitulation und des Waffenstillstands Repressalien von verschiedenen Seiten erwarten musste, begab er sich auf eine etappenreiche Flucht, die in den USA endete.[2] Hier lehrte er ab 1941 Strafrecht an der juristischen Fakultät der École Libre des Hautes Etudes Françaises, die während des Kriegs in New York gegründet wurde. Darüber hinaus arbeitete er in New York an der Veröffentlichung seines eigenen Vichy-kritischen Buchs[3] und schrieb für die 1943 gegründete Exil-Zeitschrift France-Amérique. Im November 1945 kehrte er nach Frankreich zurück und war wieder als Anwalt tätig. Von 1948 bis 1958 war Torrès im Senat des Departement Seine für die von De Gaulle gegründete RPF-Partei vertreten. Er war in dieser Zeit in verschiedenen Zusammenhängen innen- und außenpolitisch tätig.

Henry Torrès verstarb am 4. Januar 1966 in Paris.

Beschlagnahme und Verteilung der Bücher aus dem Besitz Henry Torrès

Henry Torrès, insbesondere in seiner Rolle als Verteidiger von Scholom Schwartzbard, war wie jüdische Anwälte im Allgemeinen, im direkten Fokus der deutschen Besatzer. Für eine Durchsuchung von Torrès‘ Wohnung können zwar keine Belege in den einschlägigen Quellen gefunden werden, er selbst spricht davon, dass die Deutschen direkt bei der Besetzung Paris‘ in seiner Wohnung alles sicherstellten, was von Wert schien. Die Existenz und Beschlagnahme seiner Bibliothek erwähnt er nicht explizit. [4] Jedoch ist davon auszugehen, dass Henry Torrès in seinen Pariser Wohnräumen eine Bibliothek aufgestellt hatte. Gesichert ist die Beschlagnahme von 2.000 Akten zu Torrès‘ Tätigkeit als Rechtsanwalt, die 1942 in die Bibliothèque nationale gelangten und im Januar 1946 an ihn zurückgegeben wurden.[5] Geraubte bzw. beschlagnahmte Kulturgüter aus Henry Torrès‘ Eigentum wurden auch nach Berlin verbracht und dort vermutlich an NS-Institutionen verteilt.

In der Zeit des Nationalsozialismus ist französischer Buchbesitz auf verschiedenen Wegen in die Preußische Staatsbibliothek gelangt.[6] Die Bücher aus der Bibliothek Torrès könnten so bereits vor 1945 in die Bestände der Preußischen Staatsbibliothek geflossen sein. Denkbar ist auch, dass sie sich bei Kriegsende unter den „herrenlos“ gewordenen Beständen aufgelöster NS-Institutionen befunden haben.

Über die seit 1959 an der Deutschen Staatsbibliothek in Berlin angesiedelten Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände(ZwA), kamen auch Exemplare aus der Bibliothek Torrès in den Tauschverkehr der Bibliotheken der DDR. Im Zuge des Projekts „NS-Raubgut nach 1945: Die Rolle der Zentralstelle für wissenschaftliche Altbestände(ZwA)“ wurden in der Staatsbibliothek zu Berlin einige Widmungsexemplare identifiziert, die Henry Torrès gehört haben, davon tragen mehrere Exemplare Provenienzmerkmale der Vorgängereinrichtung der Staatsbibliothek zu Berlin, der Öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek (ÖWB). Diese Exemplare wurden bereits zwischen dem 1. Oktober 1946, dem Eröffnungsdatum der ÖWB und dem 11. Dezember 1954, als die ÖWB in Deutsche Staatsbibliothek (DSB) umbenannt wurde, in den Bibliotheksbestand integriert. Weitere Exemplare wurden durch die ZwA an die DSB vermittelt. Diese Exemplare sind in zwei Intervallen in den Bestand der DSB eingearbeitet worden. Das erste Intervall fand zwischen 1960 und 1963 statt, und das zweite Einarbeitungsintervall lässt sich auf die Zeit zwischen 1979 und 1981 datieren.

Provenienzmerkmale

Bei den in deutschen Bibliotheken identifizierten Exemplaren mit der Provenienz Torrès handelt es sich um Werke, die ihm in den 1920er und 1930er Jahren von ihren jeweiligen Autorinnen und Autoren mit entsprechenden handschriftlichen Widmungen versehen, geschenkt wurden. Es finden sich unter den Widmungsexemplaren auch Bücher, die „Monsieur et Madame H. Torrès“ gewidmet wurden.

Bei den Büchern handelt es sich meist um politische und historische Publikationen, es sind aber auch belletristische Werke und Theaterstücke vertreten. Teils stammen die Werke von jüdischen Autoren, einige weisen einen Bezug zur kommunistisch-patriotischen Grundhaltung des Empfängers auf. Durch die Anrede „Maître“ wird in den Widmungen des Öfteren sein Status als Rechtsanwalt hervorgehoben.

In den bisher identifizierten Exemplare wurden fast nie auf Henry Torrès selbst zurückgehende Spuren entdeckt. Nur in Ausnahmefällen findet sich ein eigenhändiger Namenszug.

Autogramm 1929

Widmungen

Fast alle bisher identifizierten Exemplare sind Widmungsexemplare verschiedener Autorinnen und Autoren, z.T. mit längeren persönlichen Widmungen an Henry Torrès aus dem Zeitraum ca. 1925 bis 1939.

André-Paul

Aymard, Camille

Barbusse, Henri

Baty, Gaston

Bayet, Albert

Benoît, Pierre

Bernstein, Henry

Boileau, Pierre Ermitteltes Exemplar in der SLUB Dresden Katalog SLUB Dresden

Beucler, André

Billy, André

Boisson, Marius

Boucard, Robert

Carco, Francis

Cassou, Jean Ermitteltes Exemplar in der SLUB Dresden Katalog SLUB Dresden

Cendrars, Blaise

Chabannes, Jacques

Chavance, René

Cocteau, Jean

Daniel-Rops, Henri

Daye, Pierre

Deffoux, Léon

Desbordes, Jean

Desnos, Robert Ermitteltes Exemplar in der SLUB Dresden Katalog SLUB Dresden

Dominique, Pierre

Duvernois, Henri

Esme, Jean d'

Fargue, Léon-Paul

Faure, Gabriel

Goll, Claire

Helsey, Édouard

Istrati, Panaït

Kadmi-Cohen, Isaac

Larguier, Léo

Lewisohn, Ludwig

Maugham, William Somerset Ermitteltes Exemplar in der UB Rostock OPAC LBS Rostock

Maurois, André

Mortier, Alfred

Mortier, Pierre

Navachine, Dmitri

Nitti, Francesco Saverio

Paraf, Pierre

Paté, Henry

Piha, Maxime

Renaud, Jean Joseph

Réval, Gabrielle

Ribet, Maurice

Robert, Henri

Roels, Edgar

Roubaud, Louis

Salacrou, Armand

Sée, Edmond

Suarez, Georges

Tardieu, André

Vaillant-Couturier, Paul Ermitteltes Exemplar in der UB Rostock OPAC LBS Rostock

Wullus-Rudiger, J.

Zavie, Émile Ermitteltes Exemplar in der UB Rostock OPAC LBS Rostock

Zévaès, Alexandre

NN 1930

1930

NN 1931

1931

NN 1935

1935

NN 1939

1939


Ermittelte Exemplare

Digitalisierte Exemplare / Exemplarschlüsselseiten

Literatur

  • Henry Torrès, Souvenir, souvenir, que me veux-tu?, Editions Mondiales, Paris, 1964.
  • Martine Poulain: Livres pillés, lectures surveillées. Les bibliothèques françaises sous l'Occupation, [Paris]: Gallimard, 2008. - Éd. revue et augmentée. [Paris]: Gallimard, 2013 (Collection Folio. Histoire).
  • Cornelia Briel: Beschlagnahmt. Erpresst. Erbeutet. NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945, Berlin 2013.

Weblinks

GND-Normdaten

Einzelnachweise

  1. Henry Torrès: Souvenir, souvenir, que me veux-tu?, Paris, 1964, S. 20.
  2. Joseph Kessel in: Henry Torrès, Souvenir, souvenir, que me veux-tu?, Editions Mondiales, Paris, 1964, S. 150.
  3. Henry Torrès, France Trahie, Pierre Laval, Montréal et New York, 1941.
  4. Henry Torrès: Souvenir, souvenir, que me veux-tu?, Paris 1964, S.202-203.
  5. Vgl. Poulain, Martine: Livres pillés, Paris 2013, S.275 u. S. 460.
  6. Vgl. Briel, Cornelia: Beschlagnahmt. Erpresst. Erbeutet. NS-Raubgut, Reichstauschstelle und Preußische Staatsbibliothek zwischen 1933 und 1945, Berlin 2013.