Germania Iudaica, Kölner Bibliothek zur Geschichte des Deutschen Judentums
Die Germania Judaica, Kölner Bibliothek zur Geschichte des Deutschen Judentums ist als eingetragener Verein konstituiert und wird von der öffentlichen Zentralbibliothek der Stadt Köln verwaltet. Sie besitzt mit etwa 90.000 Bänden die größte Sammlung zur Geschichte des deutschsprachigen Judentums in Europa.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Germania Judaica wurde 1959 von Kölner Bürgern (unter Ihnen die Schriftsteller Heinrich Böll und Paul Schallück) als gemeinnütziger Verein gegründet. Die Gründung erfolgte aus der Erkenntnis heraus, dass die damalige deutsche Öffentlichkeit nur unzureichend Informationen über die Geschichte des Judentums besaß und diese Unkenntnis in Vergangenheit und Gegenwart zur Verbreitung von Vorurteilen geführt habe. Die Bibliothek sammelt Bücher und Dokumente, um diesen Vorurteilen entgegenzuwirken und um Zeitgenossen und nachfolgenden Generationen Zeugnis von der Geschichte und Kultur des deutschen Judentums zur Verfügung zu stellen.
Im Jahr 1979 bezog die Germania Judaica Räume (Freihandbereich und Magazinräume) in dem neu errichteten Gebäude der Zentralbibliothek der Kölner Stadtbibliothek. Seit 2006 wird nach langen Jahren der gemeinsamen Unterstützung durch die Stadt Köln und das Land Nordrhein-Westfalen die Bibliothek allein von der Stadt Köln gefördert.
Heute nennt die Germania Judaica ca. 90.000 Bände ihr Eigen und besitzt damit europaweit die größte Sammlung zur Geschichte des deutschsprachigen Judentums. Der Altbestand in der Germania Judaica (bis 1945) umfasst ca. 5.000 Bände.
Herkunft der Altbestände
Der Gründungsbestand und die Zuwächse in den ersten Jahren nach 1959 wurden überwiegend durch Schenkungen realisiert. Zu Beginn der 1960er Jahre betätigte sich die Germania Judaica für die Bestandsbildung auch verstärkt auf dem in- und ausländischen Antiquariatsmarkt (hier vor allem Großbritannien, Israel, Niederlande und USA). Literatur mit einem Erscheinungsjahr vor 1945 wurde verstärkt in den 1960er bis Mitte der 1980er Jahre erworben. Danach nimmt die Zahl dieser Erwerbungen bis zum Ende der 1990er Jahre kontinuierlich ab und erfolgte danach nur noch sporadisch.
NS-Raubgut und Verdachtsfälle
Im Rahmen des Erstcheckprojekts wurden 2022 ca. 900 Bände mit einem Erscheinungsjahr vor 1945 auf Provenienzen untersucht. Gut 400 Bände befanden sich im Freihandbestand der Germania Judaica. Die übrigen untersuchten 500 Bände stammen aus dem separat aufbewahrten Rara-Bestand.
In den Ankäufen (z.B. aus Israel) sowie Schenkungen (z. B. aus England) befinden sich teilweise Provenienzmerkmale von Personen und Institutionen, die auf einen möglichen NS-verfolgungsbedingten Entzug hindeuten. In der Regel handelt es sich dabei um Einzelfälle mit einem oder wenigen Bänden (dies wird in der detaillierten Aufstellung unten nicht eigens angegeben).
Dokumentation der Ergebnisse des Erstchecks 2022
- Problematische Provenienzen Datei:DE-KN125 Erstcheck Köln Germania Judaica problematische Provenienzen 2024.pdf
Problematische Provenienzen mit Zugangsjahr und Lieferant
- Bibliotheka i czytelnia publiczna Esra w Krakowie., Lieferant: Wehrbereichsbibliothek VI, Zugangsjahr 1967; Vorprovenienz: Z biblioteki stow. Solidarność w Krakowie - insgesamt ca. 60 Bände aus der Wehrbereichsbibliothek VI
- Israelitische Kultusgemeinde (Wien), Bibliothek, Lieferant: Levin, Zugangsjahr 1968 | Lieferant: Erdlen, Zugangsjahr 1982
- Israelitische Religionsgemeinde (Dresden). Wünsche-Bibliothek, Lieferant: Tumerlein, Zugangsjahr 1976
- Große Synagoge (Warschau), Bibliothek, Lieferant: Tuerslen, Zugangsjahr 1979
- Jüdische Gemeinde (Berlin), Lieferant: Bassenge, Zugangsjahr 1967 |Lieferant: Meyer, Amsterdam; Reinhardt; Tversky, Zugangsjahr 1965; 1972; 1990 | Lieferant: Tversky, Zugangsjahr 1982 | Lieferant: Kuballe, Zugangsjahr 1986 - 7 Bände
- Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums (Berlin), Bibliothek, Vorprovenienz: Prof. Heymann Steinthal, Lieferant: Spinoza, Zugangsjahr 1989
- Rabbiner-Seminar (Berlin), Lieferant: Tversky, Zugangsjahr 1989; Vorprovenienz: Kottek, D. H., Rabbiner, Homburg v.d.H.
- Jüdische Reformgemeinde zu Berlin, Lieferant: Spinoza, Zugangsjahr 1986
- München-Loge U. O. B. B., Lieferant: Scheppler, Zugangsjahr 1973
- Alexander Margolius und Hans Margolius, Vorprovenienz: Dr. Silberstein; Lieferant: Hessling, Zugangsjahr 1970
- Jüdischer Wanderbund Blau-Weiss (Budweis), mit Signatur des jüdischen Zentralmuseums der SS in Prag, Lieferant: Gwürz, Basel, Zugangsjahr 1963
Verdachtsfälle:
- Justus Tal, Lieferant: Spinoza, Zugangsjahr 1971
- Rabbinerseminar zu Budapest, Lieferant: Löcher, Zugangsjahr 1972
- Verbindung Jüdischer Studenten Maccabaea, Koritschan, Kurt, Lieferant: Löcher, Zugangsjahr 1972
- S. Levy, Lieferant: Libris London, Zugangsjahr 1961
- Max Freudenthal, Lieferant: Feldheim, Zugangsjahr 1966
- C.V-Landesverband Ostpreußen, Zentral-Verein Deutscher Staatsbürger Jüdischen Glaubens. Ortsgruppe Ost-Westfalen, Lippe, Schaumburg-Lippe, dann Hessen. Militärregierung. Offenbach Archival Depot, Lieferant: Wiener Library, Zugangsjahr 1959 - mehrere Bände aus dem OAD.
- Institut zur Erforschung der Judenfrage, Lieferant: Pampiere Wereld, Zugangsjahr 1963
- Israelitische Religionsschule Basel, Lieferant: Meyer, Amsterdam, Zugangsjahr 1965
- Joseph Perles, Lieferant: Grünebaum, Zugangsjahr 1966, 1968
- Winter Wiefeld, ..., Autogramm, Lieferant: Grünebaum, Zugangsjahr 1968
- Benjamin Wechsler, Lieferant: Hirschler, Zugangsjahr 1966
- Joseph Ginz [Unsichere Zuschreibung], Autogramm, Lieferant: Johnson, Zugangsjahr 1967
- Budapesti Kereskedelmi Akadémia, Lieferant: Armarium, Zugangsjahr 1968
- Groszmann, Lipót, Lieferant: Brill, Zugangsjahr 1969
- Seminarbibliothek ..., vermutlich Rabbiner-Seminar (Berlin), Lieferant: Cuntz, Zugangsjahr 1971
- Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands. Forschungsabteilung Judenfrage, Lieferant: Bassenge; Zohar, Zugangsjahr 1979;1980
- Abraham Löwenthal, Stempel, Lieferant: Gätjens, Zugangsjahr 1985
- Simon Sidon, Lieferant: [Tversky], Zugangsjahr 1990
- Jacob Flatau'sche Sammlung, Lieferant: [Tversky], Zugangsjahr 1990
- Bibliothek der isr. Cultusgemeinde, Lieferant: Schlesinger, Zugangsjahr 1967
Quellen
Zugangsunterlagen
Die Germania Judaica verfügt seit ihrer Gründung 1959 über einen lückenlosen Bestand an Inventarbüchern. Diese enthalten das Zugangsjahr, einen Kurztitel, das Zugangsjahr, die Erwerbungsart (vorwiegend Geschenk oder Kauf; durch Tausch wurde nur sehr selten erworben), eine Lieferantenangabe, ggfs. der Preis und das Rechnungsdatum.
Kataloge
Die Germania Judaica verfügt über Zettelkataloge. Ein alphabetischer Katalog und ein Schlagwortkatalog sind im Freihandbereich zugänglich. Der Online-Katalog enthält aktuell (Stand 2024) etwa 90% der Titel aus dem alphabetischen Katalog.
Weitere interne Quellen
Die Germania Judaica verfügt über verschiedene Korrespondenzen mit Trägern (dabei u.a. 1961 und 1962 genaue Listen über Geschäftspartner und verausgabte Mittel) und eine Sammlung der Jahresberichte.
Fotodokumentation
- Foto-Dokumentation Erstcheck 2022
- Problematische Provenienzen Datei:DE-KN125 Erstcheck Köln Germania Judaica problematische Provenienzen 2024.pdf
Literatur
- Dokumentation Germania Judaica. Kölner Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums e. V. Texte und Bilder. In: Jutta Bohnke-Kollwitz (Hrsg.): Köln und das rheinische Judentum. Festschrift Germania Judaica 1959-1984. Köln 1984, S. I-XXII
- Müller-Jerina, Alwin: Germania Judaica. Kölner Bibliothek zur Geschichte des deutschen Judentums. Die Entwicklung und Bedeutung einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek. Köln 1986 1959-1984
- Olk, Julia: Das Erwerbungsprofil der Germania Judaica in den Anfangsjahren und seine Modifikation im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen (Bachelorarbeit TH Köln), 2020